[Rezension] Die Weggesperrten – Grit Poppe / Niklas Poppe

Ani

 

Anzeige - Rezensionsexemplar
Propyläen Verlag - 27.September 2021
978-3549100400
Gebundenes Buch - 416 Seiten - 22,00€


Dieses Buch hat so viel mit mir gemacht. Es hat mich aber vor allem wütend gemacht, wütend auf ein System, das von wenigen durchschaut wurde. Denn was wirklich in den Kinderheimen der DDR ab ging, wußte wohl nur eine Minderheit. Umso besser, dass diese Menschen, jetzt eine Stimme bekommen, und vor allem auch Gerechtigkeit! Aber das Buch hat mich auch extrem traurig gemacht, ich habe geweint und jede einzelne Biographie ging mir arg an die Nieren.

Schade, dass auch lange Zeit wenige diese Geschichten hörten wollten – aber es ist längst Zeit, mit diesem Stück Vergangenheit aufzuräumen!


Unerzogen, aufsässig, unverbesserlich – wer sich in der DDR nicht zur staatskonformen Persönlichkeit formen lassen wollte, erhielt solche Attribute und wurde oft in Umerziehungsheimen, Spezialkinderheimen, Jugendwerkhöfen weggesperrt. Denn Angepasstheit und das Funktionieren im Kollektiv galten der SED als unverzichtbar für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. In das Leben renitenter Kinder und Jugendlicher wurde massiv eingegriffen, ihre Menschenrechte trat man mit Füßen. Viele von ihnen sind bis heute traumatisiert von den psychischen und physischen Misshandlungen.

(Kurzbeschreibung)


Keinesfalls sollten die Kinder und Jugendlichen in diesen Kinderheimen, oder Spezialheimen nicht gebessert und umerzogen werden, vielmehr sollten sie gebrochen werden. Und das ist dem System, den sogenannten Erziehern in den Heimen auch teilweise wirklich gelungen. Was für ein Martyrium mussten da Kinder und Jugendliche aushalten, manche wußten nicht einmal warum überhaupt. Was da abging, hat überhaupt nichts mit Erziehung zu tun, und es ist beschämend, wie die sogenannten Erzieher mit den Kindern und Jugendlichen umgegangen sind, wie sie diese drangsaliert und immer wieder terrorisiert haben. Von Biografie zu Biografie wurde dies auch nicht wirklich einfacher. Ich konnte das Buch kaum in einem Stück lesen, immer nur häppchenweise, immer wieder musste ich das Buch zur Seite legen.


Dies nimmt der größte Abschnitt im Buch ein, aber es werden ebenfalls Berichte zur sogenannten Umerziehung in der NS Zeit aufgezeigt, die ebenfalls extrem erschütternd sind. Aber auch von den Verdingkindern in der Schweiz ist die Rede. Diese kannte ich bisher gar nicht, war komplettes Neuland für mich, aber genauso aufwühlend und wütend machend. Das Ganze geht bis in die Gegenwart zu dem genannten „Haasenburg-Skandal“.

Immer wieder wurde eine Pädagogik zu Grunde gelegt, die aussagt, dass der Mensch formbar ist, schlechte Angewohnheiten durch harte Bestrafung beispielsweise ausgetrieben werden kann. Was so weit entfernt von Richtig ist!


Auf kein Kind wurde individuell eingegangen, kein Kind wurde wirklich gesehen, sie wurden in den Heimen abgegeben und gebrochen – was für ein Unrecht an Kindern, denen auch erst spät zu ihrem Recht verholfen wurde. Nicht umsonst gehen die Autoren auch auf Kinderrechte ein, und das diese mit ins Grundgesetz gehören!

Auch der Abschnitt „Der lange Weg zur Rehabilitierung“ war aufrüttelnd. Denn wer gedacht hat, dass nach über 32 Jahren der Wende, alle rehabilitiert wurden bisher, ist auf dem Holzweg. Das ist ein wirklich langer Weg, und bis heute kämpfen noch immer Menschen damit. Das finde ich persönlich auch ganz schlimm!


Das Buch hat mich wirklich erst einmal sprachlos zurück gelassen und es fiel mir schwer, meine Gefühle in Worte zu fassen. Erst musste ich mit Familie und Freunden darüber sprechen, um meine Gedanken zu ordnen. Ein großer Dank geht an Grit und Niklas Poppe, die diesen Menschen eine Stimme gegeben haben und sie weiter teilen.


Anett


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