***---*** Special 30 Jahre Friedliche Revolution ***---*** **--**[Comic] Anders sein oder der Punk im Schrank **--** *** Mein ganz persönlicher Rückblick ***

Ani

Anetts Bücherwelt
Leipzig, Anfang der 1980er Jahre.

Ganz langsam beginnt sich eine kleine Punk-Szene zu bilden.
Hier im Mittelpunkt steht Thomas (Thumult), der schon immer Punk mochte, seid er ihn das erste mal sah und hörte. Das war im Westfernsehen 1979.
Zusammen mit drei anderen Punks – Vero, Oskar (Abgang) und Paule (Schrank) – machen sie Musik und so langsam werden sie richtig gut. Thumult textet sich seinen Frust von der Seele und das kommt gut an.
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Allerdings weniger gut bei der Staatsmacht. Denen war die Punkbewegung ein Dorn im Auge, waren sie doch unangepasst und forderten Anarchie.

Irgendwann greift die DDR – Staatsmacht heftig durch. Zerstörung der Probenräume, Jugendwerkhof, Knast. Und dann sogar Abschiebung in den Westen. 
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Als ich das alles gelesen habe, kamen auch bei mir Dinge aus der Vergangenheit hoch. Ich hatte ja angekündigt, in diesem Special auch ein paar persönliche Dinge mit einfliessen zu lassen. Ja genau, das ist jetzt so eine Stelle.

Ich bin Baujahr ´72, war noch zu jung, als die erste Generation der DDR-Punks im Kommen war. Dafür habe ich die Zweite Generation zu Teilen miterlebt.
Bei mir begann das Ganze ca im Jahr 1987 – mit 14 / 15 Jahren.
Durch Zufall lernte ich ein paar Mädels kennen, die schon zu dieser Zeit nicht wirklich angepasst waren, allerdings keine Punks, sondern Grufties. War nicht wirklich meins, aber wir hatten einen guten Draht zueinander, und sie waren einfach anders – genau wie ich. Denn ich begann ebenfalls mich nicht mehr anpassen zu wollen. Mir ging das alles ziemlich gegen den Strich. Sobald ich irgendwas anderes an hatte wurden seitens der Lehrer über meine Klamotten gemotzt. Ätzend. Wir haben uns damals ziemlich viel selbst genäht, Schmuck gebastelt – es gab ja nichts.

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So lernte ich auch nach und nach ein paar Punks aus der Stadt kennen. Immer öfter war ich nun da unterwegs – meine Eltern hatten wohl keine Ahnung, damals waren wir uns noch ziemlich uns selbst überlassen, solange daheim alles funktionierte. Ich bettelte mir mit anderen Geld zusammen und wir fuhren mit dem Zug mal nach Leipzig, mal nach Dresden. Da war die Punkbewegung noch größer. Oder wir saßen einfach alle beisammen hier in der Stadt, rauchten und tranken Bier und hörten Musik.

Das das natürlich immer wieder Konsequenzen hatte, muss ich wohl nicht extra erwähnen. Immer wieder gab es diverse Ausweiskontrollen. Mir ging jedesmal wieder mächtig die Muffe, ganz so abgebrüht war ich mit meinen mittlerweilen fast 16 Jahren doch nicht.

Nun las ich in dem Comic, dass die Punkszene viel mehr beleuchtet wurde, als mir damals klar war. Es gab kongrete Zahlen, wieviele Punks in den Städten der DDR unterwegs waren:

>> Zu Beginn des Jahres 1981 registrierten die Sicherheitsorgane in der „Hauptstadt der DDR“ dann bereits 250 Punks, um sie sogleich mit dem Zusatz „kriminell gefährdet“ zu versehen. <<
>> 1984 machte das besorgte Ministerium für Staatssicherheit (MfS) – trotz seiner erbitterten Gegenwehr – bereits „ca. 900 vorwiegend jugendliche Personen in der DDR als Anhänger der westlichen Punk-Bewegung“ aus. Den Schwerpunkt bildete immer noch Ost-Berlin mit „ca. 400 derartigen Personen“. Weitere Konzentrationspunkte waren die Bezirke, bzw. Bezirksstädte Leipzig mit etwa 95 sowie Magdeburg und Cottbus mit jeweils ca. 60 Punks. <<
>> Weitere Berichte des MfS verwiesen auf Karl-Marx-Stadt, Erfurt, Halle und Magdeburg als regionale Schwerpunkte der Szene, die sich überwiegend aus Schülern der 9. und 10. Klassen der Polytechnischen Oberschulen (POS), Lehrlingen und jungen Facharbeitern bis 25 Jahre zusammensetzte, die alle „in geordneten und materiell gesicherten Verhältnissen aufgewachsen sind.“ <<
(Seite 106)

Verrückt! So wurde mir auch im Nachhinein einiges klar.

Bis zum Sommer 1989 waren die meisten meiner Bekannten nicht mehr da. Manche waren nach Dresden oder Berlin gegangen, einige waren einfach weg. Bei manchen wußte ich, dass sie „abgeholt“ wurden und im Gefängnis gelandet sind.
Immer wieder war auch davon die Rede, dass es einige bis ins Kaßberg Gefängnis hier in Karl-Marx-Stadt geschafft haben. Dies war berüchtigt, gab es doch hier einen ganzen Trakt für alle die, die der Westen frei kaufte. Allerdings haben wir niemals Genaueres erfahren, vieles war Spekulation, man hat es abgetan.
Heute weiß ich, da war einfach viel dran!

Aber wie ging es bei mir weiter?
Ich begann im September 1989 eine Lehrausbildung, zu dieser Zeit hatte ich nur noch sporadisch Kontakt mit anderen Punks. Und als dann die Grenze geöffnet wurde und die Wende kam, war es in Karl-Marx-Stadt irgendwie vorbei mit der Punk-Bewegung. Und für mich begann ebenfalls eine neue Zeit.
Nicht mehr ganz so aufmüpfig, nicht mehr ganz so rebellisch . Man hatte das Gefühl, alles was wir wollten, wurde uns nun nicht mehr untersagt. Es war egal wie wir unsere Haare trugen, was wir für Klamotten trugen.

Was mir all das persönlich gebracht hatte?
Ärger allemal.
Aber auch ein gewisses Maß an Selbstbewußtsein – welches bis dahin mir immer klein geredet wurde. Mal den Mund aufmachen und meine Meinung sagen? Das durfte ich nie. Hier konnte ich das, hier lernte ich es. Auch mit den Konsequenzen, mit denen ich dann leben musste. Wie oft wurde ich zur Schuldirektorin vorgeladen, weil mich wieder irgendein Lehrer oder gar andere Schüler in der Stadt mit Punks gesehen hatten. Aber es war mir schlichtweg egal.
Und bis heute habe ich mich daran gehalten: Ich lauf rum, wie es mir gefällt, ich muss nicht jeden Modetrend mitmachen, ich will mich wohl fühlen. Was andere dazu sagen? Ist mir schlichtweg egal.

Es war mir ein großes Bedürfnis euch gerade diesen Comic hier als erstes in meinem Special vorzustellen und ich hoffe, ich kann euch ein bisschen meine Zeit als Jugendliche näher bringen. Und ich hoffe, es hat euch gefallen.

Fotos von mir gibt es gar keine mehr aus der Zeit, ein einziges habe ich noch, das hatte mal einer aus meiner Klasse aufgenommen, weil er einfach jeden fotografiert hat. Das möchte ich euch hier noch zeigen, es war noch ganz am Anfang, mit zarten 15 Jahren.

Anetts Bücherwelt - Anett 1988
Außerdem habe ich auf der Seite der BstU (Akteneinsicht der Stasi-Akten) einen tollen Artikel gefunden, der das Ganze nochmals untermauert:

"Irokese und Sicherheitsnadel"



Habt einen guten Tag

Anett.


Anzeige / Leseexemplar

Anders sein oder der Punk im Schrank“
PM Hoffmann (Zeichner), Bernd Lindner (Text)
Ch.Links Verlag – ISBN 978-3962890452
13.März 2019 – 144 Seiten – 15,00€


Aus gegebenen Anlass möchte ich hier im Anhang an meiner Rezension folgende Stellungnahme posten:


Leipzig, den 04.08.2019 

Stellungnahme zur unseriösen Aufarbeitung des Chr. Links Verlags in der Graphic Novel „Anders Sein – Der Punk im Schrank“, Bernd Lindner/PM Hoffmann, Chr. Links Verlag, 2019 

Sehr geehrte Damen und Herren, im März dieses Jahres erschien im Chr. Links Verlag die Graphic Novel „Anders sein – Der Punk im Schrank“, die durch ihren Entstehungsprozess und die entstandenen Urheber- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen unserer Ansicht nach einer seriösen Aufarbeitung der jüngeren Zeitgeschichte klar widerspricht.

Wir, Punks der ersten und zweiten Generation in Leipzig, sind in dieser Publikation ohne unsere Zustimmung abgebildet und mit vermeintlichen O-Tönen zitiert worden. Unsere Biografien sind eindeutig erkennbar in dieser Publikation verarbeitet worden. Zusammen mit aktiven Leuten der historischen Aufarbeitung Leipziger Subkultur sind wir in dieser Angelegenheit auf den Linksverlag zugegangen, um die untenstehenden Punkte zu thematisieren. Auf unsere Nachfrage räumte der Verlag Fehler und Mängel ein, verhinderte jedoch kurzfristig und einseitig das Zustandekommen eines bereits vereinbarten gemeinsamen Gesprächs zwischen den Geschädigten und den Verantwortlichen des Buches.

Es ist uns wichtig, Sie über unsere Einschätzung des Buches und die von uns wahrgenommenen Urheber- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen aufmerksam zu machen. Wir möchten Sie über jene Kritikpunkte an der Publikation in Kenntnis setzen, die uns verletzen und fassungslos machen.

Dabei haben wir hauptsächlich drei Kritikpunkte, die durch ihr Zusammenspiel diese Graphic Novel als Beitrag für die historische Aufarbeitung in Gänze disqualifizieren: 

1. Urheberrechtsverletzungen in Bild und Text 

Der Comic besteht zu großen Teilen aus eins zu eins abgemalten Fotos. Die Dipl. Fotografin Frau Eisler, welche die Urheberin vieler der Originalbilder ist, wurde vom Verlag für die Verwendung der Bilder weder informiert noch angefragt. Dass diese Fotos detailgetreu abgemalt worden sind, wird in der Publikation mit keiner Silbe erwähnt. Herr Hoffmann eignet sich damit unrechtmäßig die Urheberschaft einer künstlerischen Leistung an, die er nicht vollbracht hat. Auch andere Künstler und Fotografen sind betroffen. So kommt die gesamte kreative Leistung von Herrn Hoffmann, bestehende Fotos – zugroßen Teilen von fremden Künstlern – abzuzeichnen und zu einem Comic zusammenzufügen, bis auf ein Mielke-Zitat und einer winzigen Darstellung einer BStU-Akte (beides S. 58) ohne den Nachweis der verwendeten Motive aus.

Zwar erkennen wir die handwerkliche Eigenleistung Herrn Hoffmanns durch das Abzeichnen in gewisser Hinsicht an, jedoch wurde bei vielen Motiven verschiedener Urheber (uns bisher bekannte, betroffene Motive: über 30 Stück) versäumt, diese Bilder genügend zu verfremden. Die abgebildeten und zugrundeliegenden Personen und Motive sind daher an den entsprechenden Stellen klar und deutlich zu erkennen (siehe Anhang mit Bildvergleichen). Die Personen sind durch die Abbildung leicht und ohne Zweifel namentlich zuzuordnen. Nicht nur das, auch hat keiner der uns bekannten Urheber und Inhaber der Bildrechte irgendeine Freigabe für die Verwendung der Bilder erteilt. Sie sind nicht einmal angefragt worden. 

Diese Praxis der Motivverwendung finden wir äußerst befremdlich. Zudem hat Herr Links in einem Schreiben an Herrn Reichenbach deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Verlag nur jene Bilder lizenzieren lässt, bei denen die Urheber und Rechteinhaber proaktiv und auf eigene Initiative auf den Verlag zugehen. Es verwundert uns, da dies nicht den üblichen Gepflogenheiten und Kriterien der professionellen Redaktionsarbeit entspricht. Diese Umkehrung der Verantwortlichkeit klingt wie Hohn in unseren Ohren. 

2. Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Umgang mit zu Grunde liegenden Biografien

Wie Herr Links nach interner Klärung des Sachverhalts uns gegenüber einräumt, sind in die literarischen Figuren Elemente realer Lebensgeschichten eingeflossen, deren erforderliche Abgrenzung jedoch nicht angemessen erfolgt sei. Eine Konsequenz aus dieser Erkenntnis wurde uns gegenüber allerdings nicht gezogen. Problematisch ist bei der mangelhaften Abgrenzung, dass die zugrundeliegenden Biografien so einzigartig sind, dass die realen Personen dahinter klar erkennbar und namentlich zuzuordnen sind. Dies ist ein fahrlässiger Zustand, den wir nicht hinnehmen können!

Ähnlich wie bei den Fotografien maßt sich der Autor Bernd Lindner eine kreative und/oder geistige Leistung an, die er nicht erbracht, sondern vielmehr plagiiert hat. In einem Making-of-Video des Verlags brüstet sich Herr Lindner damit, dass er sich bei dem Storyboard an reale, verbriefte Geschichten gehalten hat (siehe Blog des Verlags: „Wie eine Graphic Novel entsteht“ vom 14.03.2019). Wie auch Herr Links in seinem Schreiben bestätigt, fußen die Biografien der Protagonisten auf Modulen realer Biografien. Durch die Eingrenzung der Handlung auf das Leipzig der frühen Achtzigerjahre ist der Kreis der möglichen realen Personen äußerst gering (weniger als 10 Personen). Eine Abgrenzung von fiktiven und realen Personen sucht man in dem Buch jedoch vergebens. Noch deutlicher wird die Koketterie mit den realen Biografien, wenn auf Veranstaltungen (so z.B. am 23.03.2019 im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig) betont wird, dass für die historische Authentizität auf Interviews und Fotos zurückgegriffen worden ist. Wo und in welchem Maße, woher diese Interviews stammen, wer diese geführt hat, diesen Nachweis bleiben die Autoren allesamt schuldig. Die nötige Abgrenzung von fiktiver Darstellung und realen Personen, die besonders in diesem sensiblen Themenfeld zu den Grundfesten publizistischer Gepflogenheiten gehört, wurde nicht vorgenommen. Sie wird aktiv verwischt. 

Noch schwerer wiegt für uns, dass die teilweise Verfremdung der Biografien dazu führt, dass das Ansehen bestimmter Personen Schaden erleidet. So wird in der Band Haftung, die als zweite, vermeintlich fiktive Band neben Wutanfall im Comic eingeführt wird, der Bassist als IM dargestellt. Tatsächlich gab es in der enggefassten Zeitspanne Anfang der Achtzigerjahre, in der der Comic ansetzt, neben Wutanfall nur eine einzige weitere real existierende Punkband in Leipzig: H.A.U. Damit ist für jeden subkulturell Interessierten klar, dass diese Gruppe für den Comic die Vorlage gewesen sein muss. Zumal die Geschichte des fiktiven Sängers in weiten Teilen mit dem Lebensweg des realen Sängers identisch ist. Der Spitzname des realen Bassisten wurde von den Autoren für ein fiktives Bandmitglied verwendet. Zu dieser real existierenden Band, mit der es diese gravierenden Übereinstimmungen gibt, wird im Comic keinerlei Abgrenzung gezogen. Diese Band wird im Glossar nicht einmal erwähnt. Zu diesen Übereinstimmungen kommt auch, dass es in der realen Band tatsächlich einen IM gab, der aber eben gerade nicht der Bassist, sondern der Gitarrist war, was den Bassisten durch fehlende Abgrenzung in ein falsches Licht rückt, geradezu verleumdet. Dies ist besonders verheerend, da der reale IM durch das besonders kaltblütige Ausmaß seines Verrats und seiner Popularität in der Leipziger Szene, bis heute ein bisher nicht aufgearbeitetes Thema in Leipzig darstellt. 

In keinem Satz des Buches wird eine Abgrenzung zu den Elementen der zu Grunde liegenden Biografien nach gängigem Usus vorgenommen, obgleich Herr Links in seinem Schreiben, diese Verwendung uns gegenüber offen zugibt. Einzig im Nachtrag zum Comic heißt es lapidar: „Die Punkband Die Haftung hat es nie gegeben.“ (Seite 103) Dies wird jedoch durch die Aussagen des Zeichners und des Autoren konterkariert, die in Interviews betonen (so z.B. in der LVZ vom 25.04.2019), dass die Geschichten angeblich historisch genau erzählt wären und vermeintliche Begebenheiten fiktiver Personen historisch belegt wären. Der Leser dieses Comics hat keine Chance, zwischen den wirklichen Leben/Biografien und der Fiktion der Autoren zu unterscheiden. 

3. mangelnde Nutzbarkeit für angedachte historische Diskurse durch fehlerhafte Aufarbeitung 

Bereits auf Seite 1 wird ein realer Songtext der falschen Band und dem falschen Jahr zugeordnet. Die mangelnde Recherche zieht sich durch das gesamte Buch, und endet mit komplett falsch interpretierten Texten und Aussagen. Eine wirkliche historische Auseinandersetzung über die Bedeutung des Punk-Seins in der DDR ist aber leider unmöglich, da der Autor in seinem Essay die Quellen seiner Erkenntnis, die Herkunft seiner Interviews und wörtlichen Zitate nicht offen legt. So wird beispielsweise Thomas „Reudnitz“ Hirsch mehrfach wörtlich zitiert (z.B. S. 107 und S. 108) ohne dass er für dieses Buch jemals ein Interview gegeben hätte. Der angehängte Essay (in weiten Teilen der Nachdruck eines Aufsatzes Herrn Lindners aus einer anderen Publikation) nutzt zudem aus dem Zusammenhang gerissene und damit falsch wiedergegebene Zitate, deren Quellen er aber leider nirgendwo angibt. Darunter befinden sich auch Zitate aus Stasi-Akten, bei denen jegliche Signatur und Fundstelle fehlt. Eine wirkliche Diskussion um historische Deutungen und Bewertungen kann aufgrund mangelnder Substanz und aufgrund der vielen Fehler mit dieser Publikation nicht erfolgen und auch nicht angestoßen werden. Unter den verwendeten und als Fakt dargestellten Akten, deren wörtliche Zitate wir aufgrund unserer Expertise nachträglich zuordnen konnten, sind beispielsweise tradierte Fehlinformationen der Staatssicherheit (z.B. auf S. 110). 

Wir finden dies besonders schade, da uns an einer lebhaften Diskussion um dieses zeitgeschichtliche Thema im Grunde sehr gelegen ist. Die fehlerhafte Darstellung und der kritikwürdige Entstehungsprozess konterkarieren den Anspruch des Buches, einen Beitrag zur politischen Bildung zu leisten, und wird in unseren Augen dem durch die Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Landeszentrale für politische Bildung geförderten Zweck nicht gerecht. 

Gerade in Leipzig sind viele Verletzungen noch unverarbeitet und bisher nicht aufgeklärt. Die zeithistorische Arbeit mit Zeitzeugen und deren Biografien beruht auf Vertrauen und erfordert eine professionelle Sensibilität, gerade vor dem Hintergrund, dass die historisch überlieferten Informationen zu DDR-Zeiten bereits unter massiven Rechtsbrüchen gesammelt worden sind. Die nicht genehmigte Darstellung der Personen in einer Publikation eines so renommierten Verlages macht uns als Protagonisten daher fassungslos und wütend. 

Der fahrlässige und unprofessionelle Umgang Herrn Lindners und Herrn Hoffmanns mit den Quellen ihrer Erkenntnisse wird den publizistischen Gepflogenheiten bei weitem nicht gerecht. Es fehlt jeglicher Nachweis von Quellen und von wörtlichen Zitaten. Gerade das erfolgte Verwischen der Grenzen von prosaischer Fiktion und historischer Realität macht uns fassungslos. Dass das Buch bei wissenschaftlichen und der politischen Bildung verpflichteten Institutionen (z.B. BStU und Zeitgeschichtliches Forum Leipzig) vorgestellt und beworben worden ist, verdeutlicht das Kokettieren der Autoren mit der vermeintlichen historischen Genauigkeit und ist für uns in keiner Weise hinnehmbar.

Umgang des Verlags mit unseren Hinweisen bzgl. der Kritikpunkte

Erschwerend kommt für uns in dieser Angelegenheit hinzu, dass der Linksverlag eine verwirrende Kommunikationstaktik fährt. Zunächst wurde auf unseren Wunsch, mit den verlagsseitig Verantwortlichen ein klärendes Gespräch zu führen, eingegangen, was sich jedoch als Hinhaltetaktik herausstellte. Kurz vor einem möglichen Gespräch wurde uns dann doch abgesagt, was auf uns einen sehr herablassenden Eindruck machte (Brief an Frau Eisler vom 16.07.). Stattdessen sollen nun die Rechteinhaber selbst und proaktiv auf den Verlag zugehen. Die Praxis, dass in diesem Fall keinerlei Klärung von Verlagsseite angestrebt wird, ist eine komplette Umkehr der Verantwortlichkeiten und in diesem Zusammenhang eine Zumutung und Dreistigkeit sondergleichen.

Eine konstruktive und deeskalierende Gesprächshaltung haben wir an dieser Stelle nicht erfahren. Da Herr Links, Herr Lindner und Herr Hoffmann mit ihrem bereits seit März veröffentlichten Werk Fakten geschaffen haben, welche unser Ansehen und unsere Persönlichkeitsrechte verletzen, sowie einer direkten und gütlichen Klärung der Angelegenheit mit möglichst allen - bisher bekannten - Betroffenen in einer konstruktiven Gesprächsrunde sich wiederholt entzogen haben, sehen wir es als unsere Pflicht an, Sie zeitnah über den fehlerhaften Entstehungsprozess und für uns unerträglichen Inhalt des Buches zu informieren. 

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. 
Mit freundlichen Grüßen 

Bernd Stracke, Kittlitz, Sänger von H.A.U., Wutanfall, L’Attentat; als Zeitzeuge aktiv; gefragter Moderator für zeithistorische, wissenschaftliche Veranstaltungen. 

Jürgen "Chaos" Gutjahr, Berlin, Sänger von Wutanfall, Pffft...!; als Zeitzeuge im Zeitzeugenbüro der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED Diktatur aktiv.

Thomas "Reudnitz" Hirsch, Kossen, Gitarrist bei L’Attentat, Der schwarze Kanal; als Zeitzeuge in verschiedenen Dokumentationen und Publikationen vertreten.

Maik "Ratte" Reichenbach, Leipzig, Bassist bei H.A.U., L’Attentat; beteiligt am subkulturellen Archiv SUBstitut und Too much future.   

Jakob "Schrammel" Geisler, Leipzig; Herausgeber verschiedener Schallplatten und Publikationen zur zeitgeschichtlichen Aufarbeitung der Leipziger Subkultur, Kurator der Wutanfall-Ausstellung in der BStU Außenstelle Leipzig.

Ulrike Geisler, Leipzig, Historikerin; Projektleiterin der Ausstellung „Wutanfall – Die Punkband im Visier der Stasi 1981 – 1984“ in der BStU Außenstelle Leipzig 17.05. bis 10.06.2018.


2 Kommentare:

  1. Liebe Anett,

    danke für den sehr interessanten Artikel.
    Ich finde es großartig, dass Du darüber schreibst, weil ich glaube, dass es wichtig ist, miteinander ins Gespräch zu kommen. Es ist schon verrückt und vor allem traurig, dass auch nach 30 Jahren noch eine Mauer zu spüren ist.

    Ich bin ein Jahr jünger als Du und muss sagen, dass mir die Diktatur immer noch so unglaublich vorkommt und mich auch sehr ängstigt. Ich war selbst nie angepasst, habe keinen Respekt vor Autoritätspersonen, nur weil sie welche sind. Und obwohl ich das alles nie erlebt habe, läuft es mir immer kalt den Rücken runter, wenn ich an die Stasi denke, weil ich mich automatisch frage, was mit mir passiert wäre, wäre ich nur 100 km weiter östlich geboren worden.

    Hattest Du selbst keine Angst in den Knast zu kommen? Und wusste man damals schon, wie schrecklich die Gefängnisse waren oder wurde das tot geschwiegen.

    Was mich bei dem Thema ja auch immer beschäftigt, wie ging man nach der Wende mit den Menschen um, die einen verraten haben?
    Ich habe ehrlich gesagt nie verstanden, warum das nicht gesamtdeutsch aufgearbeitet wurde.

    Dein Foto ist mega!! Du siehst da richtig heiß aus,wenn ich das so sagen darf. Ich sah in dem Alter ganz furchtbar brav aus. ^^

    Ich freue mich schon sehr auf Deine weiteren Artikel! Erscheinen die jeweils Dienstag oder hast Du da keinen fest Plan?

    Ganz liebe Grüße
    Petrissa

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    1. Liebe Petrissa,

      vielen Dank für deinen wundervoll, langen Kommentar! Ich bin froh, wenn ich hier mit den Beiträgen andere ansprechen kann, ist das Ganze doch sehr persönlich für mich, und deswegen auch nicht immer einfach zu schreiben.

      Angst vor dem Knast? Klar, ständig! Aber irgendwie hat man auch immer gedacht: Ach mir passiert das nicht, ich war ja in einem Alter, da wurde man in den sogenannten Jugendwerkhof gebracht. Im Grunde ein Knast für Jugendliche. Dort wurden sie wirklich gebrochen und das ist schrecklich! Ich habe einen gekannt, der in dieser Situation war und es war nur furchtbar!
      Ich glaube, alle die anders waren, egal ob Punk oder was andres, die wußten um die Gefahren und was es für Konsequenzen geben konnte. Alle anderen haben einfach die Augen davor verschlossen oder wollten es nicht wissen. Ich kenne heute noch Menschen (50+), die es bis heute nicht wissen wollen, zum Teil abstreiten, oder (was wirklich schlimm ist) das System in solchen Sachen noch immer verteidigen! Von wegen: Diese Kinder waren wirklich unerziehbar, die mussten dahin usw.

      Zu dem Thema Verrat und Stasi werde ich nochmal gesondert in einem Bericht schreiben - nächste Woche mache ich noch eine Führung im Archiv der Stasi Unterlagen hier in der Stadt, ich bin auch am überlegen, ob ich Einsicht in meine Akte nehmen möchte - ich hab ein bisschen Angst davor, bin aber auch neugierig. Habe es Jahrelang verdrängt, mit diesem Special ist mir wieder vieles bewußt geworden!

      Ja, es erscheinen jeden Dienstag bis zum 01.10. ein bericht / Rezension. Es gibt ein Jugendbuch, ein Roman, ein Sachbuch, einen Bildband und noch einen Comic.
      Am 03. Oktober - Tag der Einheit - gibt es was zu gewinnen!

      Ach und Danke fürs Kompliment zum Foto. Weißt du wie oft ich deswegen und wegen ähnlichen ins Direktoriat gerufen wurde!?:) Unfassbar! Wegen Klamotten und Frisur wurde man fast angezeigt....

      Ganz liebe Grüße Anett.

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