Anetts Bücherwelt |
Was
für ein Buch! Ich weiß ehrlich gesagt kaum, wo ich beginnen soll,
aber auch ohne zu viel zu verraten.
Das
Buch beginnt am 07. Oktober 1989 – der 40. Jahrestag der DDR. Und
im Grunde begann an diesem Tag das Land zu brökeln, auseinander zu
fallen. Und genauso hatte ich selbst das auch gefühlt. Plötzlich
stellte sich alles auf den Kopf!
Anetts Bücherwelt |
Nein natürlich kam das alles nicht so plötzlich, zumindest nicht für die Leute, die schon seit Monaten einiges hinterfragten.
Nur
eben an diesem 7. Oktober kam es zu Demonstrationen für Reformen im
Land – diese wurden z. Teil brutal aufgelöst. Und plötzlich ging
ein Ruck durchs Land. In den nächsten tagen kam es immer wieder zu
Protesten, die durch die Polizei aufgelöst wurden – angemerkt: es
handelte sich zu jeder zeit um friedliche Proteste!
Am
schlimmsten war es wohl dann am 09. Oktober. Die Staatsmacht rechnete
mit vielen Demosntranten:
>>
Gegen 14 Uhr bezogen Sicherheitskräfte ihre Bereitschaftsräume. Die
Losung des Tages lautete: „Genossen, heute ist Klassenkampf!“<<
(Seite
22)
>>
Viele, die am Abend demonstrierten, hatten ihre wichtigsten
Angelegenheiten geordnet und Abschiedsbriefe geschrieben, denn sie
hatten in der Leipziger Volkszeitung an diesem Tag den Aufruf eines
Kampfgruppenkommandeurs gelesen: „Wir sind bereit und willens, das
von und mit unserer Hände Arbeit Geschaffene wirksam zu schützen,
und diese konterrevolutionären Aktionen endgültig und wirksam zu
unterbinden. Wenn es sein muss, mit der Waffe in der Hand.“<<
(Seite
23)
das
es damals wirklich gefährlich war, an den Demos teilzunehmen, war
mir auch bewußt, aber wenn man nun im Nachhinein so einiges liest,
kann man wirklich froh sein, wie es am Ende gekommen ist. Auch wenn
manche Demonstrationen gewaltsam aufgelöst wurden, viele verhaftet
wurden, es auch brutal zu ging, so sind wir doch am Ende ziemlich gut
davon gekommen. Denn das hätte weitaus schlimmer ausgehen können –
ich glaube, aufgrund der Masse der Menschen, die für Reformen auf
die Strasse gegangen sind, es auch immer friedlich war, war der
Staatsapperat einfach überfordert von der Situation.
Und
so wird in diesem Buch Monat für Monat das Wichtigste geschildert.
Was immens viel war, den gefühlt täglich gab es neue Informationen
und ich glaube, jeder hatte mich sich und dem neuen ziemlich zu tun.
So
auch ich. Ich begann noch mit einem DDR Lehrvertrag im September 1989
eine Lehre. Aber bereits 1 ½ Monate später wußte keiner mehr, wie
es weiter gehen sollte. Ich habe im Handel gelernt, und selbst mit
meinen 17 Jahren war mir da bereits klar, was viele erst später
bewußt realisierten: Die DDR war bankrott, am Ende!
Politisch
tat sich wirklich viel, es bildeten sich neue Parteien, neue
Bürgerbewegungen. Ganz traurig war ich persönlich darüber, dass
„Das Neue Forum“ nicht mehr so viel vertreten konnte, womit sie
begonnen hatten. Sie waren im Grunde für mich die Helden der neuen
Bewegung, denn sie brachten bereits vor Oktober 89 den Stein ins
rollen.
Auch
wollten viele eigentlich nicht unbedingt die deutsche
Wiedervereinigung, anfangs ging es wirklich darum, eine neue
Regierung zu haben, mit Menschen, die offen für neues waren, es
sollten Reformen entstehen und eine bessere DDR.
Als
ich nun jedoch das Buch so laß, war mir klar, das es gar nicht
gegangen wäre, denn wie bereits gesagt, die DDR war einfach
bankrott, insolvenz.
Wir
brauchten Geld für einen Wiederaufbau und dazu war die DM wirklich
die beste Alternative.
Das
Buch ist wirklich komplex, sehr genau recherchiert und so informativ!
Ich war erschrocken, wieviel ich bereits wieder vergessen hatte.
Klar, ich war damals noch so jung, aber im Nachhinein bin ich auch
froh, das ich diese aufregende Zeit mit erlebt habe.
So
weiß ich auch bis heute (so wie bestimmt jeder), was ich am
9.November 1989 gemacht habe, den Tag der Maueröffnung:
Ich war zur Disko mit einigen Freunden, wir hatten Spaß und plötzlich kam ein Bekannter zu uns und sagte: Ich fahr jetzt nach Berlin,die Grenzen sind auf!Ha – wir dachten doch alle der spinnt! Die Grenzen auf! Von jetzt auf gleich!Aber irgendwie war es komisch, also schnell nach Hause und Radio angemacht: Tatsächlich, die Grenzen waren geöffnet worden! Das gibt’s doch nicht!Meine Freunde wollten dann alle zwei tage später (Samstag) nach West-Berlin. Sie holten mich von der Berufsschule ab und wir sind zum Bahnhof. Ich totalen Bammel, ob ich überhaupt über die Grenze komme, denn meine Freunde haben den ganzen Samstag Vormittag auf der Polizei für das Visum angestanden und Geld dafür bezahlt. Ich hatte natürlich kein Visum – was, wenn sie rüber dürfen, aber ich nicht? Am Checkpoint Charlie angekommen: kein Mensch da, mir war so übel! An den Schalter der Ostpolizei und mit kleiner Stimme gefragt, ob ich denn über die Grenze mit meinen Freunden kann, auch ohne Visum?Der Polizist war wohl total fertig und genervt, ohne ein Wort knallte er mir einen Stempel in den Ausweis und ich konnte gehen!!!!
Meine Freunde waren schon etwas erstaunt, aber ich war einfach nur froh, mit zu können.Und dann? Über die Grenze, das war vielleicht ein beklemmendes Gefühl, ich hatte Angst, jeden Moment holt mich wieder einer zurück.
Auf der West-Seite dann Party! Ich war total von den Socken, so viel Menschen, die sich freuten. Wir bekamen Sekt in die Hand gedrückt und wurden umarmt – bis heute weiß ich nicht, was da so richtig geschehen ist.Wir irrten dann etwas durch West-Berlin, es war ja mitten in der Nacht, kamen an einem Dönerladen vorbei, kannten wir ja auch nicht. Klar hatten wir alle Hunger, wir hatten seit dem Frühstück nichts gegessen, aber eben auch kein Geld. Und was macht der Besitzer? Er schenkt jeden von uns einen Döner! Wir waren sechs Leute und haben uns so sehr gefreut, ich war total platt, dass der uns die einfach so geschenkt hat. Ich glaube, das war unser bester Döner, den wir je gegessen haben!Und trotzdem stand für mich immer fest, ich wollte nie weg hier, ich wollte hier was bewegen, wenn alle weggehen, was soll denn da werden? Das ist doch keine Lösung.Heute bin ich froh, noch hier zu sein, mein Leben ist gut, viel besser, als die Aussicht dafür war, als ich 16 Jahre war. Dafür bin ich dankbar!
Und
was sonst noch in dem Buch steht?
So
viel! Ich bin mit dem anmarkern der für mich wichtigen Stellen gar
nicht fertig geworden – aber nun betrachtet, kann ich auch gar
nicht alles erzählen.
Es
war so viel wissenswertes dabei: Hat jemand gewußt, dass wir in der
DDR RAF-Terorristen aufgenommen haben? Sie haben eine neue Identität
erhalten und lebten hier mitten unter uns.
Wichtig
fand ich auch das Thema Studieren in der DDR. War es mir doch, als
„Arbeiterklassen-Kind“ unmöglich, zu studieren. Dann noch mein
Papa, der auf seine Weise gegen die Regierung rebelliert hat und ich
ja sowieso.
Ganz
besonders wissenswert fand ich auch die Themen zur Enteignung. Sowohl
nach dem Krieg durch die Sowjetunion, als auch dann zu DDR Zeiten.
Das es da für den Staatsvertrag, der geschlossen werden sollte so
viele ungeklärte Fragen auftraten, wundert mich nicht.
Überhaupt,
was alles an dieser Wiederverenigung dran hing, da bin ich jetzt noch
baff, dass es dann doch so schnell ging. Auch wenn wir vieles hier im
Osten verkauft und verraten haben, wert war es ja eh nichts mehr.
Aber was dann auch durch die Treuhand von statten ging, das macht
mich jetzt noch wütend.
Auch
sehr wichtig fand ich, dass verschiedene Bügerbewegungen September
90 das Stasiarchiv besetzt haben. Denn diese Akten sollten alle nach
Koblenz unter Verschluss gebracht werden. So dass auch die ehemaligen
Bürger der DDR keinen Zugriff mehr darauf hätten. Das es die
Stasiakten Archive noch hier in den neuen Bundesländern gibt, und
dass man die Akteneinsicht beantragen kann, finde ich sehr gut! So
kann auch jeder für sich entscheiden, ob er Einsicht möchte oder
nicht.
Zu
dem Thema werde ich in einem anderen Bericht noch einmal mehr dazu
schreiben!
Alles
in allem hat mir das Buch wirklich sehr gut gefallen.
Ohne
nur dem ewig Gestrigen hinterher zu trauern, bekam man hier sachliche
Informationen geliefert, die wirklich sehr gut recherchiert sind.
Und
nebenher gab es immer wieder Portraits verschiedener Menschen, so
dass es einen guten Einblick gab, weshalb sie so waren, wie sie
waren.
Zum
Schluss noch ein schönes Zitat aus dem Buch (Oktober 1990), Seite
294:
>>Innenminister
Peter-Michael Diestel: „Ich weiss nicht, wie wir es geschafft
haben, aber es ist alles geschafft worden. Und es ist auch friedlich
gemacht worden. In diesem bedeutesten politischen Ereignis in
Mitteleuropa nach dem Zweiten Weltkrieg ist nicht ein einziger Schuss
gefallen! Es hat keine millitanten Demonstrationen gegeben. Es hat
Demonstrationen gegeben, aber keine miitanten. Es war friedlich. …“
<<
Habt
einen friedlichen Tag,
Eure
Anett.
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/ Leseexemplar
Ch.Links
Verlag – ISBN 978-3962890612
Autoren:
Hannes Bahrmann und Christoph Links
07.August
2019 – 320 Seiten – 18,00€
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